Familienstellen – Wie es aus einem Märchen in die Realität übertragen werden kann.

Claudia Grill Blog September

In diesem Blogbeitrag möchte ich aus dem Buch von
Jakob Robert Schneider und Brigitte Gross (erschienen im Carl-Auer Verlag)
mit dem Titel „Ach wie gut, dass ich es weiß – Märchen und andere Geschichten in der systemisch-phänomenologischen Therapie“ zitieren.

In diesem Buch wird gezeigt, wie man über gewisse Lieblingsmärchen eine schicksalshafte Bindung zu einer ausgeschlossenen Person in der eigenen Familie erkennen kann. Dies möchte ich am Märchen „Aschenputtel“ verdeutlichen.

In „Aschenputtel“ sehen wir das Mädchen, das seine Mutter verloren hat und von der Stiefmutter und den Stiefschwestern ausgenützt und gedemütigt wird, am Ende aber den Prinzen bekommt. Zwar entzieht sie sich ihm immer wieder, obwohl sie von ihrer verstorbenen Mutter zauberhaft ausgestattet wird – doch der Prinz hat seit ihrem Erscheinen nur noch Augen für sie. Aber wer ist diese wunderschöne Frau wirklich?
Sollte es Aschenputtel sein? Wir freuen uns, dass der Prinz Aschenputtel zur Frau nimmt. Doch wir bemitleiden ihre Stiefschwestern nicht, obwohl die Suche nach der Richtigen der einen den großen Zeh, der anderen die Ferse und schließlich beiden ihr Augenlicht kostet. Nur eine Person fühlt mit ihnen – aber sie kommt im Märchen nicht vor: Es ist die Tochter von Aschenputtel.

Das Thema des Märchens „Aschenputtel“ könnte man so umschreiben:
„Streit unter Frauen – wer bekommt den Prinzen?“
Wer dieses Märchen als seine Skriptgeschichte erkennt, ist häufig mit einer früheren Frau des Vaters verbunden – jener Frau, die er zugunsten der Mutter verlassen hat. Der Vater wählt die Mutter aus Liebe. Die Mutter jedoch traut sich nicht, ihren Mann wirklich zu nehmen – zu groß ist der Preis, den die andere Frau dafür zahlen musste. Sie fühlt sich wie Aschenputtel: die bessere Frau, die aber die ganze Arbeit machen muss. Auf das Leid der Frau, die Platz machen musste, schaut sie nicht. Das tut ihre Tochter. Sie identifiziert sich mit der Verlassenen, verliert – wie diese – oft ihren Mann an eine andere und trägt dabei die wütende Faust in der Tasche.

Dies kann sich auf vielfältige Weise zeigen und wird im Familienstellen oft sichtbar. Es ist eine verdeckte Dynamik, die große Auswirkungen im Leben haben kann. Ein Beispiel aus dem Buch (S. 80):

Ein Mann mit homosexuellen Neigungen, geschieden von seiner Frau und mit wenig Kontakt zu seinen Kindern, erzählte von seiner Tante, der Schwester seiner Mutter. Auch sie hatte den Vater geliebt. Dieser konnte sich lange nicht zwischen den beiden Schwestern entscheiden, bis die Mutter ihm „das Messer auf die Brust setzte“ und ihn zur Heirat zwang. Die Tante blieb allein zurück und lebte einsam, ohne Kontakt zu ihrer Schwester und zur übrigen Familie. Nur der Neffe besuchte sie manchmal heimlich – ohne Wissen seiner Mutter.

Mich berühren solche Geschichten immer wieder aufs Neue sehr. Deshalb gebe ich mein Wissen in der Arbeit mit dem Familienstellen von Herzen weiter – sei es in Einzelsitzungen in Präsenz oder via Zoom, an „offenen Abenden“ (1× im Monat), in Ganztages- oder Wochenendseminaren oder nächstes Jahr im Juni wieder in einem viertägigen Retreat.

Auch plane ich, eine Ausbildung im Familienstellen anzubieten. Mehr dazu erfahrt ihr nächstes Jahr auf meiner Website.

Ich wünsche allen einen wunderbaren Herbst!

Mit besten Grüßen
Eure
Claudia Grill

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