In den letzten Wochen habt ihr bereits viel über Familienaufstellungen im Allgemeinen erfahren können. Im heutigen Blog-Beitrag möchte ich euch die genaue Durchführung der Praxis näherbringend, damit ihr euch vorstellen könnt, wie das Ganze abläuft.
Wie wird eine Familienaufstellung aufgebaut?
In einem kurzen Vorgespräch erarbeitet der Aufsteller anhand seines Genogramms gemeinsam mit dem Therapeuten, welche Personen für die Aufstellung relevant sind. Dazu zählen zunächst alle Mitglieder der Kernfamilie, also die Eltern und ihre Kinder.
Der Aufsteller beginnt nun, die stellvertretenden Personen im Raum zu platzieren. Die Stellvertreter werden so aufgestellt, wie die Beziehungen der realen Familienmitglieder auf den Aufsteller wirken. Nachdem sich die Stellvertreter auf ihrem Platz eingefühlt haben, werden sie nacheinander gefragt, wie sie sich fühlen und was sie wahrnehmen.
Je nach familientherapeuthischer Schule gibt es nun verschiedene Vorgehensweisen. Bei Hellingers Familienaufstellung nimmt der Aufsteller außerhalb des Geschehens Platz und beobachtet das Schauspiel von außen. Er lässt alle Eindrücke auf sich wirken und hört die Rückmeldungen der Stellvertreter seiner Familie.
Bei Familientherapeuten, die konstruktivistisch und wachstumsorientiert arbeiten, wird der Aufsteller zu den einzelnen Stellvertretern mitgenommen. Dadurch wird ihm die Möglichkeit geboten, den Stellvertretern selbst Fragen zu stellen. Zudem wählt er die Reihenfolge aus, in der er die Stellvertreter befragen möchte.
Bei beiden Versionen erhält der Aufstellende relevante Informationen über das tatsächliche Empfinden der Familienmitglieder. Aufgrund ihrer Position ist es den stellvertretenden Personen möglich, die Gefühle und Emotionen der realen Person wahrzunehmen. So empfinden sie Wärme oder Kälte und Zuneigung oder Abneigung. Es kommt durchaus vor, dass ein Stellvertreter Schmerzen an einer Stelle seines Körpers spürt, an der das reale Familienmitglied erkrankt ist.
Möglicherweise basiert dieses Phänomen auf der Informationsübertragung mittels Spiegelneuronen, jedoch bedarf es diesbezüglich weiterer Forschung.
Wege der Lösungsfindung
Es gibt verschiedene Ansätze, die Familienaufstellung zu interpretieren und Konflikte innerhalb der Familie zu lösen. Ich möchte euch im Folgenden ein paar vorstellen.
Der Aufstellende sucht sich einen guten Platz
Der Therapeut unterstützt hierbei den Aufsteller, mit den Personen, mit denen er im Streit ist, Kontakt aufzunehmen und sich anschließend einen guten Platz zu suchen. Der Aufstellende löst sein Double ab und fühlt sich in die Position hinein. Nun wird der Aufsteller dazu aufgefordert, zu der Person Kontakt aufzunehmen, zu der die Beziehung gestört ist. Er formuliert das Problem und lässt sein Gegenüber darauf reagieren. Der Therapeut versucht, das Gesagte in positive Worte umzuwandeln. Anschließend bittet er den Aufsteller, sich einen neuen Platz im System zu suchen; einen, an dem er sich wohlfühlt. Die Lösung wird gerade dadurch deutlich, dass der Aufstellende selbst in der Lage ist, seinen guten Platz zu finden.
Der Therapeut stellt das Lösungsbild
Bei dieser von Bert Hellinger entwickelten Variante übernimmt der Therapeut die Verantwortung für das Lösungsbild. Der Aufstellende nimmt von außen am Geschehen teil. Die Stellvertreter können sich nicht frei im Raum bewegen; der Therapeut führt sie an andere Plätze. Dabei lässt sich der Therapeut hauptsächlich von seiner Wahrnehmung und den Rückmeldungen der Stellvertreter leiten, bis sich jeder an seinem Platz wohlfühlt. Dann darf der Aufsteller mit den Personen, mit denen er im Konflikt steht, Kontakt aufnehmen. Dafür hat Hellinger einfache Sätze vorformuliert, die der Aufsteller aussprechen soll. Am Ende gibt der Therapeut den Lösungsansatz vor; der Aufsteller kann lediglich entscheiden, ob er ihn annimmt, oder nicht.
Alle Stellvertreter suchen sich ihren guten Platz
Hierbei folgen die Stellvertreter ihren Bewegungsimpulsen. Sie gehen zu einer Person, zu der sie sich hingezogen fühlen, oder vergrößern den Abstand zu bestimmten Personen. Die Beziehungsdynamik wird dadurch deutlich erkennbar und der Therapeut entwickelt, gemeinsam mit den Rückmeldungen der Stellvertreter, eine Lösung des Konflikts.
Mit den besten Grüßen
Eure Claudia Grill